Xbox Series (Bild: Microsoft)

Liebe deine Produkte. Und nenne sie nicht Xbox Series X/S/XS oder UE55RU7179UXZG!

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Willst du von deinen Kunden ausgelacht werden? Oder Kunden verlieren? Dann sei ideenlos oder hyperkreativ bei deinen Produktnamen! 

Ein Kommentar von Jürgen Kroder, Chefredakteur StartUpWissen.biz

Aktueller Anlass, altes Thema

Ehrlich gesagt: Diesen Beitrag schrieb ich schon vor ein paar Jahren. Besser gesagt: einen Teil dieses Kommentars. Über die Zeit habe ich ihn immer wieder angefasst, abgeändert und upgedatet.

Nun ist es wieder an der Zeit, den Text erneut auszugraben und ihn mit neuen Inhalten anzufüttern. Denn es gibt einen aktuellen Anlasse, der das eigentlich uralte Thema nicht ruhen lässt. Das Thema, das ich meine, ist die Findung des richtigen Produktnamens. 

Was ist der Auslöser? Eine Meldung in Caschys Blog, dass Microsoft sich die Marke Xbox Series XS sichern möchte. Diese Benennung ist die Krönung einer langen, fehlgeschlagenen Produktnamen-Reihe.

Die Xbox-Historie: Eine Geschichte der Naming-FAILs

Fangen wir von vorne an.

Im Jahr 2001 trat Microsoft in den lukrativen Markt der Spielekonsolen ein. Der Konzern aus Redmond hatte damals (Playstation 2), Sega (Dreamcast) und Nintendo (Gamecube) als Konkurrenten.

Aus einem Viergestirn wurde bald einem Dreigestirn, weil Sega sich aus dem Konsolen-Markt zurückzog. Doch bis heute spielt Microsoft nur die letzte Geige, denn Sony und Nintendo sind in Sachen Absatzzahlen und Beliebtheit weit vorne.

Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer ist meiner Meinung nach die besch…eidene Namensgebung von Microsoft.

Es begann so gut: Xbox – das klang damals modern und nach Spielekonsole. Super! Doch dann kam zweite Xbox-Generation, die Microsoft auf den seltsamen Namen Xbox 360 taufte. Danach folgte die Xbox One. One? Die dritte Xbox besitzt wirklich den Beinamen „Eins“?!?

Die Marketer hatten mit der Xbox One die One-and-Only-Konsole im Hinterkopf. Nette Idee – nur versteht sie kaum einer.

Noch verwirrender wurde es, als Microsoft eine abgespeckte (Xbox One S) und eine leistungsstärkere Fassung (Xbox One X) veröffentlichte.

Das richtige Lowlight folgte danach: die neue Xbox-Generation heißt Xbox Series. Hierbei gibt es eine Xbox Series S und eine Xbox Series X. Diese sind parallel zur mittlerweile etwas angestaubten Xbox One X und Xbox One S im Handel erhältlich. Und dazu gesellt sich bald noch die Xbox Series XS.

OMG! Blickt da noch jemand durch?

Mein Auto. Mein Smartphone. Mein … WTF?

Hinweis: Ab dieser Stelle beginnt die vorherige Fassung des Beitrages.

Stell dir mal vor, du sitzt mit Freunden zusammen. Ihr redet darüber, welche neuen Sachen ihr euch kürzlich gekauft habt. Einer erzählt, er habe sich ein VW Golf zugelegt. Ein anderer schwärmt von seinem iPhone. Und du berichtest, du hast fast 500 Euro für einen UE55RU7179UXZG ausgegeben. Alle starren dich an und denken: What the f…?!?

Verständlich, oder? UE55RU7179UXZG klingt ziemlich sperrig und unsexy. Aber Samsung vermarktet einen seiner vielen TV-Modelle wirklich unter diesem Namen!

Damit ist der koreanische Konzern nicht alleine: Auch andere namhafte Unternehmen bringen ihre Produkte mit kryptischen Bezeichnungen in den Handel. Und der Handel promotet sie so.

Unverständliche Produktnamen schrecken ab

Wer sich für Technik-Produkte wie Fernseher oder Computer interessiert, der geht heutzutage nicht nur in den MediaMarkt (wenn überhaupt), sondern recherchiert fleißig im Internet. Diejenigen, die nur mit vagen Vorstellungen wie „Ich brauche einen neuen Fernseher“ oder „Meine Frau wünscht sich einen Laptop“ in die Weiten des Netzes vordringen, sind schon bald verloren.

Denn der potentielle Kunde stößt bei seiner Customer Journey auf Produkte mit Bezeichnungen wie Asus ET2210INKS-b012C i3-2120/4GB/5000GB GT520, Samsung UE46ES5700 und HP Omni 27-1000EG i3-2120/4GB/1TB HD7450A.

Was wollen uns die Hersteller damit sagen? Wie können sie in der A-, I- und D-Phase der altbekannten AIDA-Formel (Attraction, Interest, Desire, Action) mit derlei Bezeichnungen punkten? Höchstwahrscheinlich wenig bis gar nicht. Sie hinterlassen einen verwirrten Kunden. Besser gesagt: potentiellen Kunden!

Der mögliche Kunde versteht nur Bahnhof. Und wer Bahnhof versteht, wird misstrauisch und somit zurückhaltend beim Kauf. Oder lässt es gleich. Denn was man nicht versteht und einem kompliziert erscheint, braucht man nicht!

Ein Grund (von vielen), warum beispielsweise Apple-Produkte so beliebt sind – deren Bezeichnungen und Typenlogik verstehen die meisten recht schnell.

Wer oder was bin ich?

ET2210INKS-b012C i3-2120/4GB/5000GB GT520, UE46ES5700 oder Omni 27-1000EG i3-2120/4GB/1TB HD7450A sind nichtssagend. Außer man ist Produktmanager und Tech-Nerd. Doch die sind nicht die Zielgruppen.

Samsung, Grundig, LG und Co. möchten Ihre Technik- und Entertainment-Produkte an die Massen verkaufen. Und das tun sie auch. Aber gewiss nicht über die Produktnamen. Sondern über andere Eigenschaften wie günstige Preise.

Doch bevor es dazu kommt, verschrecken sie zuerst die Interessenten. “Kauft bloß nicht unsere Produkte. Sie sind genauso kompliziert wie ihre Produktnamen!” schwingt da unterschwellig mit. Zumindest denke ich mir das jedes Mal. Geht es dir auch so?

Ein Produktnamen ist wie der Names eines Kindes

Alle Eltern machen sich wochen- und monatelang Gedanken über den Namen des Ungeborenen.

Sie fragen sich: Was sagt der Name aus, wofür steht er? Welches Image hat er? Kann er leicht ausgesprochen werden? Gibt es Abkürzungen oder Verunglimpfungen? Wie klingt er international?

Derlei Gedanken scheinen sich einige Unternehmen nicht zu machen. Ihnen ist es egal, ob die Namen ihrer “Babys” doof klingen. Ansonsten würden sie ihren Produkten nicht derart komplizierte und unattraktive Namen geben.

Raus und weg, irgendein Dummer … äh … Käufer wird sich schon finden – so die Mentalität.

Der schmale Grat zwischen Kreativität, Belanglosigkeit und Peinlichkeit

Nun gut, es gibt auch einige Positiv-Beispiele. Was ein McChicken oder einer Playstation sind, erschließt sich einem schnell. Für was Samsung Galaxy oder Dell Inspiron stehen, versteht man als Technik-Laie zwar nicht, doch die Namen klingen gut.

Doch bei HP Omni, Canon Pixma oder Sony Vaio kommt der potentielle Käufer schon ins Grübeln. Diese Namen verraten weder, was das Produkt kann, noch wirken sie anregend. Es sind einfach belanglose Fantasie-Namen.

Die Meister der seltsamen und teils abstrusen Benennungen sind die Internet-StartUps. Da gibt und gab es Dawanda, Mabber, Yoono, Diigo, Zlio, Flattr, Mzinga, Simfy und Oink.

Noch schlimmer sind echte Naming-FAILS. Also Namen, die in anderen Sprachen missverständlich, zweideutig, abwertend oder beleidigend klingen. Bei einem Ford Probe denkt man nicht an ein fertiges Auto; ein Mitsubishi iMiev stinkt zum Himmel, oder? Was Pajero in Spanisch bedeutet, möchte ich einem Translator überlassen und lieber nicht niederschreiben.

Über die Nintendo Pipi – Verzeihung, Nintendo Wii (wee, Englisch = pinkeln) – wurde anfangs zurecht gelacht. Und dann gibt es noch den Musikdienst, der seine Hörer als Weicheier beleidigt. Nein, WiMP erweckt definitiv keine positiven Erinnerungen!


WiMP: Sind alle Nutzer des Musikdienstes wirklich Feiglinge, Knalltüten, Kümmerlinge, Warmduscher oder Weicheier?

Internationale Naming-FAILS: Weitere bekannte Beispiele

Brauchst du weitere Beispiele für schief gegangene Namensgebungen? OK, here we go:

  1. Chevrolet Nova
    In spanischsprachigen Ländern bedeutet „no va“ so viel wie „es geht nicht“ oder „es fährt nicht“. Das ist sicherlich keine ideale Assoziation für ein Auto.
  2. PepsiCo’s Pog
    In einigen slawischen Sprachen klingt „Pog“ wie ein vulgäres Wort.
  3. Gerber
    In Frankreich ist „Gerber“ ein verbreitetes Wort für Erbrechen, was nicht ideal ist für eine Marke, die Babynahrung verkauft.
  4. Coca-Cola
    Bei der ersten Übersetzung ins Chinesische klang es nach „Biss das Wachskaulquappen“, was natürlich keinen Sinn ergibt. Später wurde eine bessere Übersetzung gefunden.
  5. Ford Pinto
    In Brasilien bedeutet „Pinto“ „kleiner männlicher Penis“. Ford änderte den Namen in „Corcel“, was „Pferd“ bedeutet.
  6. IKEA Fartfull
    Obwohl es im Schwedischen „schnell“ bedeutet, klingt es im Englischen wie „voller Fürze“.
  7. Honda Fitta
    In skandinavischen Sprachen ist „Fitta“ ein vulgäres Wort für die weiblichen Geschlechtsorgane. Das Fahrzeug wurde später in „Honda Fit“ geändert.
  8. Barf Waschmittel
    In Persien ist „Barf“ das Wort für Schnee. In Englisch bedeutet es jedoch „Erbrechen“.
  9. Reebok Incubus
    Incubus ist ein männlicher Dämon, der mit schlafenden Frauen schläft. Nicht unbedingt das, was Frauen bei einem Damenschuh im Kopf haben möchten.

Das Kind beim Namen nennen – warum nicht?

Was soll diese Verklausulierung? Sind ein direktes Fluege.de, Windeln.de, Notebooksbilliger.de oder Musicload so langweilig? Wer sein Unternehmen beispielsweise Windeln.de nennt, setzt ein Statement. Der Namen ist die Marke. Und die angebotenen Produkte versteht jeder.

Klar, eine derartige eindeutige Bezeichnung bringt auch Probleme mit sich. Wenn das Portfolio erweitert wird, kann das mit dem Markennamen kollidieren. Windeln.de verkauft mittlerweile mehr als nur Windeln. Und Notebooksbilliger.de hat nicht nur günstige Laptops im Angebot.

Fantasie-Namen besitzen somit ihre Daseinsberechtigung. Denn nicht immer ist es leicht, einen passenden Namen für sein Produkt zu finden. Besonders wenn er auch international eingesetzt werden soll.

Fazit: Macht ein Produkt zu eurem Baby!

Kommen wir zurück zum UE55RU7179UXZG: Dieser Name ist weder zu direkt, noch fantasievoll, sondern 200%ig einfallslos. Es ist die Typenbezeichnung, hinter der eine herstellerspezifische Logik steckt. Doch diese Logik versteht sonst keiner.

Warum wurde sie zum Produktnamen? Wie sollen damit mögliche Käufer angesprochen werden? Was hat sich das Marketing dabei gedacht? Ich versteh’ es nicht. Du?

Da geben Großkonzerne wie Samsung, Sony, LG und dergleichen zusammen Milliarden für Produktentwicklungen, Marketing und Vertrieb aus. Und das Ergebnis sind dann Produktnamen wie UE55RU7179UXZG oder Xbox Series XS? Seriously?!?

Derlei Produktnamen sind lieblose Massenware. Produkte ohne Seele. Vertane Chancen, mehr Kunden anzusprechen. Umsatzkiller. Verbranntes Geld.

Puh.

Deswegen meine Bitte: Weniger ist mehr. Klare Worte statt böhmischer Dörfer. Gib‘ deinen “Kindern” richtige, leicht verständliche und passende Namen!

Wie? In unserem Ratgeber „Einen guten StartUp-Namen finden: Wie geht das?“ kriegst du ein paar Tipps dazu. Viel Erfolg!


Über den Autor:

Jürgen ist Gründer und Chefredakteur von StartUpWissen.biz. Zudem arbeitet er als freier Marketing-Macher und Fachautor. Dieser Kommentar erschien zuerst in seinem Blog, in dem er regelmäßig über die Themen Digitalisierung, StartUps, Marketing und E-Commerce schreibt.

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