Um schneller und einfacher an die Börse gehen zu können, sind Börsenmäntel ein valider Weg. Das steckt dahinter.
Ein Gastbeitrag von Philip Moffat
Börsenmäntel: Der Do-It-Yourself-Börsengang für innovative Unternehmen
Für junge Unternehmen ist es schwieriger geworden, an frisches Kapital zu gelangen. Zinswende, „Kryptowinter“, Rezessionsangst und Inflation führen dazu, das Kapitalgeber wie Business Angels vorsichtiger werden. Und Gründer, Jungunternehmer und StartUp-Manager haben manch schlaflose Nächte.
Der Shootingstar unter den FinTechs – Klarna – hat zwar im Frühjahr 2022 noch eine Finanzierungsrunde durchbekommen, doch dabei musste ein saftiger Abschlag von 85 Prozent zur vorherigen Runde hingenommen werden. Andere vielversprechende Neugründungen wie die Finanz-App Rubarb gingen trotz hoher Resonanz wegen Kapitalmangel in die Insolvenz.
Was viele nicht wissen: Neben den klassischen Methoden zur Finanzierung eines StartUps (Bankkredit, Family & Friends, Venture Capital …) gibt es auch andere, erfolgsversprechende Alternativen. Ein seit Jahrzehnten erprobter Weg zur Kapitalbeschaffung ist der direkte Gang an die Börse (der sogenannte IPO) über einen Börsenmantel.
Was bedeutet Börsenmantel?
Bei einem Börsengang über einen Börsenmantel wird eine Gesellschaft über einen sogenannten Reverse Merger in eine bestehende, an der Börse gelistetes Unternehmen eingebracht. Diese bereits gelisteten Unternehmen können genau für dieses Zweck als Vorratsgesellschaften gegründet worden sein.
Oder der Börsenmantel ist das Überbleibsel aus einer Insolvenz. Auch wenn das operative Geschäft eingestellt wurde, bleibt die Börsennotierung des ehemaligen Unternehmens erhalten. Wichtig dabei ist, dass diese Börsenhüllen von Altlasten befreit sind. Nur so können diese ohne Probleme genutzt werden.
Beispiele für Börsengänge über einen Börsenmantel
Diese Do-It-Yourself-IPOs über Mantelumfirmierungen haben eine lange Geschichte. Bekannte Stories der letzten Jahrzehnte sind net.IPO (1998 aus der Brauhaus Amberg hervorgegangen), die Colonia Real Estate (die aus der Küppersbusch AG entstand) oder Deutsche Wohnen und WCM, die sehr erfolgreich ein zweites Leben erhielten.
Aktuelle Beispiele für gelungene Umfirmierungen sind Clean Logistics (WKN: A1YDAZ ), die Bitcoin Group (A1TNV9), GxP German Properties (A2E4L0) oder Enapter (A255G0) .
Hörtipp zum Thema „StartUp-Börsengang“
Was muss ein StartUp bedenken, wenn es an die Börse gehen will – gleichgültig, ob mit oder ohne Börsenmantel? In dieser Folge des StartUpWissen Podcasts erfährst du es:
Was bringt ein Börsenmantel-IPO?
Ein gutes Beispiel, wie ein Börsengang über einen Börsenmantel durchgeführt werden kann, stellt der IPO der Clean Logistics SE dar. Hier nutzte man die „Hülle“ der sendR SE.
Zum Zeitpunkt der Reverse Merger und der faktischen Börsennotierung hatte die Clean Logistics keinen nennenswerten Umsatz, aber eine klare Vision. Das Unternehmen hatte sich zum Ziel gesetzt, Diesel-getriebene 40-Tonner-LKW zu emissionsfreien, wasserstoffbetriebenen Zugmaschinen umzubauen.
Mittlerweile ist das Unternehmen voll am Kapitalmarkt angekommen. Es hat eine breite Investorenbasis. Und Clean Logistics konnte sich auf Basis einer transparenten Unternehmensbewertung von über 130 Millionen Euro entsprechende Mittel durch „klassische“ Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung beschaffen.
Die Vorgeschichte des Börsenmatels spielt aktuell keine Rolle mehr. Sie war aber ein schöner Aufhänger, um das Unternehmen mit seinem innovativen Case am Finanzmarkt zu positionieren.
Was sind die Vorteile des Börsenmantels?
Der große Vorteil der Nutzung eines Börsenmantels gegenüber einem klassischen IPO bzw. Listing an der Börse liegt …
- in der höheren Geschwindigkeit.
- in dem deutlich reduzierten Vorbereitungsaufwand.
- in den wesentlich reduzierten Kosten.
Faktisch ist keine Bank involviert, welche die Aktien platzieren muss. Ein Wertpapierprospekt kann man sich ebenso sparen.
Was vorliegen muss, sind selbstverständlich entsprechende Jahresabschlüsse und ein Wertgutachten, dass den Wert der neuen Gesellschaft zur Einbringung dokumentiert und eine Bewertung rechtfertigt.
Was kostet ein Börsengang über einen Börsenmantel?
Neben den Kosten für den Mantel sind die größten Posten die Rechtsberatung, die Honorare für Wirtschaftsprüfer und die Durchführung der entsprechenden Hauptversammlung. Abhängig vom Börsensegment liegen die Gesamtkosten bei 50.000 bis 100.000 Euro. Diese Kosten sind nur ein Bruchteil eines klassischen Börsengangs, der sehr schnell in die Millionen gehen kann.
Dauert die Vorbereitung eines „normalen“ Börsengang mittels eines Bankenkonsortiums und entsprechender Rechtsberatung sehr oft weit länger als ein Jahr, ist eine Einbringung in einen gut vorbereitenden Börsenmantel in wenigen Wochen bis Monaten zu bewerkstelligen. Letztendlich braucht es hierfür lediglich eine sauber geplante und durchgeführte Hauptversammlung der Mantelgesellschaft, auf der dann die nötigen Beschlüsse getroffen werden.
Was ist bei einem Börsenmantel-IPO zu beachten?
Nicht jedes Unternehmen eignet sich für einen IPO über einen Börsenmantel. Ein detaillierter Blick in die Struktur gilt als unabdingbar. Grundvoraussetzung ist, dass der Käufer des Mantels auch entsprechend viele Anteile erwerben kann. Ohne eine komfortable Mehrheit macht das Ganze wenig Sinn.
Auch das Börsensegment und der Ort der Börsennotierung spielen eine Rolle. Eine Notierung im Freiverkehr einer Regionalbörse ist im Gegensatz zu einer hochwertigeren Notierung im geregelten Markt an der Leitbörse Frankfurt ganz anders zu bewerten.
Damit ein Börsenmantel wirklich als „bezugsfertig“ gilt, sollten keine unnötigen Vermögensgegenstände in der Gesellschaft mehr sein. Meistens gibt es einen schlechten Grund, warum diese noch dort verblieben sind. Denn schließlich will man als neuer Eigentümer in keine aktiven oder passiven Prozesse hineingezogen werden, die die Nutzung der Gesellschaft erschweren oder gleich zu Beginn ihres zweiten Börsenlebens belastet.
Entscheidend für die Neuausrichtung sind auch die Kapitalverhältnisse und das zur Verfügung stehende Grundkapital. Bei einer Neuausrichtung werden üblicherweise auch Grundkapitalanpassungen vorgenommen, um unter Berücksichtigung der Bezugsrechte der Altaktionäre die Aktionärsstruktur anzupassen und neue Gelder einzuwerben.
Wichtig sind ebenso durchgehend testierte Abschlüsse mit vollen Testaten einer etablierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.
Fazit
Der Gang an der Börse muss nicht erst am Ende der StartUp-Phase erfolgen! Auch ein Konzept-IPO mag durchaus am Anfang einer Wachstumsstory sinnvoll sein – sofern die Story stimmt. So kann das nötige Kapital für ein beschleunigtes Wachstum über eine breite Basis von Aktionären beigesteuert werden.
Über den Autor:
Philip Moffat kann als Seriengründer bezeichnet werden. Seine Expertise reicht dabei von FinTechs, über Unternehmen aus dem Bereich Erneuerbare Energien und CleanTech bis hin zu AgTech. Aktuell ist Philip als Investor im Bereich Vertical Farming und Kraft-Wärme-Kopplung engagiert. Seit Ende der 1990er Jahre hat Philip Moffat rund 20 Börsengänge begleitet – viele davon als Reverse Merger mittels eines Börsenmantels. Kontakt: philip@moffat.de
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Bild: Freepik